Was Protein alles kann (neben Muskelaufbau)
Sprechen wir über Protein. Ob in Pulverform, als Riegel, Müsli, Joghurt oder vollwertige trinkfertige Mahlzeit: Die Supermarktregale biegen sich vor Produkten mit diesem wohl bekanntesten aller Nährstoffe.
Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass dein Trainer gleich beim ersten Besuch im Gym von dir wissen will, ob du auch genügend Protein zu dir nimmst. Keine Frage, in Sport- und Fitnesskreisen wird Protein meist vor allem mit Muskelaufbau assoziiert.
Der Haken daran: Protein ist nicht nur der meistdiskutierte Mikronährstoff, sondern auch der am meisten missverstandene (vor allem unter Neulingen in Sachen Ernährung). Ja, Protein ist für das Wachstum und den Erhalt der Muskelmasse unverzichtbar. Das heißt aber nicht, dass du dich über Nacht in Arnie verwandelst, wenn du auf dem Sofa sitzend ein paar Proteinshakes kippst. Du musst Gewichte pumpen. Dich insgesamt optimal ernähren. Und außergewöhnliche Gene mitbringen (wenn du Mr. Universum werden willst). Oh ja, Fitness ist ein echter Kampf.
Außerdem ist Protein kein Zirkuspferd, das nur ein einziges Kunststück beherrscht, ums mal bildlich zu formulieren. Protein ist vielmehr eine Herde kraftvoller Hengste, was uns zum eigentlichen Thema dieses Artikels führt: Wir wollen die Sichtweise ändern und all die Vorteile einer ausreichenden Proteinzufuhr hervorheben – über den Muskelaufbau hinaus. Los geht’s.\
Kann die Knochengesundheit unterstützen
Kommen wir zuerst zum wahrscheinlich zweitgrößten Nutzen, den Protein für den menschlichen Körper hat: Es trägt zu gesunden Knochen bei.
Mehrere epidemiologische Untersuchungen haben ergeben, dass eine höhere Proteinzufuhr der Knochengesundheit von Erwachsenen zuträglich ist. Randomisierte kontrollierte Studien zeigen darüber hinaus, dass sich die positive Wirkung von Protein auf die Knochengesundheit durch eine höhere Calciumzufuhr noch zusätzlich verstärkt.
Die Rolle von Protein für die Knochengesundheit legt zudem nahe, dass sich dadurch auch das Risiko von Knochenbrüchen verringert (obgleich der Zusammenhang zwischen Protein aus der Ernährung und Frakturrisiko bislang unklar ist).
Es gibt aber noch eine Reihe anderer Gründe, warum sich Protein positiv auf die Knochen auswirkt, z. B. erhöht es die Kalziumaufnahme und unterdrückt das Parathormon (PTH) der Nebenschilddrüse. Zu viel PTH lässt den Calciumspiegel im Blut zu stark ansteigen, was zu gesundheitlichen Problemen wie eine Abnahme der Knochenmasse führen kann.
Kann den Heißhunger zügeln
Proteinreiche Diäten haben in der Ernährungswissenschaft sowohl Support als auch Kritik geerntet, wenn sie zur Behandlung von Adipositas empfohlen werden.
Auch wenn seine Rolle bei der Gewichtsreduktion mitunter stark übertrieben wird (und folglich zahllose „Abnehmprodukte“ mit einem hohen Proteingehalt werben), weisen einige Studien darauf hin, dass Protein tatsächlich eine hilfreiche Rolle als „Appetitzügler“ spielt.
Es gibt überzeugende Belege dafür, dass eine höhere Proteinzufuhr die Thermogenese und das Sättigungsgefühl verstärkt, im Vergleich zu einer Ernährung mit geringerem Proteingehalt.
Studien haben ergeben, dass Protein den Spiegel des Hungerhormons Ghrelin senkt und gleichzeitig den Peptid-YY-Spiegel erhöht – ein Hormon, das für ein Sättigungsgefühl sorgt. Na, wenn das mal keine Win-win-Situation ist!
Forscher an der School of Medicine der University of Washington fanden sogar heraus, dass übergewichtige Frauen täglich 441 Kalorien weniger zu sich nahmen, wenn sie den Proteinanteil der Gesamtkalorienzahl von 15 % auf 30 % verdoppelten. Und das, ohne ihre Ernährung bewusst einzuschränken.
Kann den Blutdruck senken
Mehrere Studien besagen, dass der erhöhte Verzehr von Protein – insbesondere pflanzliches – den Blutdruck senken und das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringern kann.
So hat eine Studie aus dem Jahr 2021 mit 12.000 Teilnehmenden in China ergeben, dass Erwachsene, die Protein aus vier oder mehr verschiedenen Quellen zu sich nahmen, ein um 66 % geringeres Risiko für Bluthochdruck hatten als diejenigen, die Protein aus weniger als zwei verschiedenen Quellen konsumierten. Die Studie zeigte darüber hinaus, dass es auf einen maßvollen Verzehr ankommt, denn sowohl die Teilnehmenden, die am wenigsten als auch jene, die am meisten Protein verzehrten, wiesen das höchste Bluthochdruckrisiko auf.
Kann dem kognitiven Abbau entgegenwirken
Durch seinen Beitrag zum Erhalt der Muskelmasse könnte Protein eine wichtige Rolle für ein gesundes Altern spielen, insbesondere im Hinblick auf den Muskelverlust in späten Jahren, der sogenannten Sarkopenie.
Des Weiteren bringen jüngste Studien den Verzehr von Protein mit einem sinkenden Risiko für den kognitiven Abbau im Alter in Verbindung. Eine Harvard-Studie, bei der mehr als 77.000 Männer und Frauen über einen Zeitraum von 20 Jahren beobachtet wurden, hat ergeben, dass das Demenzrisiko um 26 % geringer ausfiel, wenn 5 % der Kalorien aus pflanzlichem Protein statt aus Kohlenhydraten stammten, während bei tierischem Protein das Risiko um 11 % sank.
Kann bei der Wundheilung helfen
Protein ist für die Geweberegeneration und Wundheilung unverzichtbar. Es liefert die Bausteine, die zur Bildung neuer Hautzellen und zur Reparatur von beschädigtem Gewebe notwendig sind.
Man geht davon aus, dass eine ausreichende Proteinzufuhr in der Nahrung den Heilungsprozess beschleunigen kann. Mehrere Proteintherapien zur Beschleunigung der Heilung von Hautgewebe bei chronischen Wunden wurden bereits an Menschen getestet – mit positiven Ergebnissen.