Der Aufstieg der Frühaufsteher: Wie „5 bis 9“ dich von „9 bis 5“ weiterbringt

Der „5 bis 9“-Trend feiert sich als Antwort auf die Frage, wie wir mehr aus unserem Tag herausholen können. Aber sorgt frühes Aufstehen wirklich für mehr Ausgeglichenheit – oder nur für eine noch längere To-do-Liste?

Dein Tag hat nicht genügend Stunden? Deine To-do-Liste ist abends nur zur Hälfte abgehakt? Glaubt man TikTokern, A-Promis und Überfliegern aller Branchen, dann könnte die Lösung für sämtliche Zeitmanagement-Probleme schlicht darin bestehen, den Wecker früher klingeln zu lassen.

Frühes Aufstehen ist schwer angesagt auf TikTok, wo Fans der „5 bis 9“-Routine die vier Stunden zwischen 5 und 9 Uhr morgens aktiv nutzen, um ihr Wohlbefinden zu fördern oder administrative Aufgaben zu erledigen. Begleitet von motivierender Musik und Hashtags wie #produktivität, #frühervogel und #wachstum, versteht sich.

Viele folgen dabei den Regeln des „5-Uhr-Club“: In diesem Besteller von Leadership-Coach Robin Sharma aus dem Jahr 2018 wird die „goldene Stunde“ zwischen 5 und 6 Uhr morgens mittels einer 20/20/20-Formel optimal genutzt: 20 Minuten Bewegung, 20 Minuten Reflexion und 20 Minuten Weiterbildung – alles noch vor dem Frühstück. Auch an anderer Stelle loben Verfechter wie der US-amerikanische Produktivitätsguru Ryan Holiday die Vorteile des frühen Aufstehens aus: „Wenn du auf einem höheren Niveau agieren willst, musst du dir angewöhnen, früh aufzuwachen“, schreibt er in seinem Blog.

Warum stehen all diese TikToker so früh auf?

Auch wenn der „5 bis 9“-Trend in den sozialen Medien durch die Decke geht, so neu ist das Konzept gar nicht: Supererfolgreiche Menschen weltweit stehen schon lange früh auf, und für viele ist es der einzige Weg. So ist z. B. Hollywood-Star Mark Wahlberg ein superfrüher Vogel: Er steht um 2.30 Uhr auf, um im Gym Klimmzüge zu machen. Und der notorisch straffe Zeitplan von US-Vogue-Chefredakteurin Anna Wintour beginnt um 4 Uhr.

Von Tim Cook, CEO bei Apple, über Top-Model-Mama Heidi Klum bis hin zu Richard Branson, Gründer der Virgin Group: Erfolgreiche Unternehmerinnen und Unternehmer sind oft Morgenmenschen. Wahlberg, der neben seiner Karriere als Schauspieler auch noch ein Burger-Imperium leitet, braucht den Zeitbonus, um seine Verpflichtungen unter einen Hut zu bringen. „Ich habe immer mehr zu tun und immer weniger Zeit für alles“, sagte er in der Ellen Show.

Aber weshalb schlägt der Trend auch bei uns Normalos so ein? Cera Paslawsky, auch bekannt als @theorganisedaddict, ist eine passionierte „5 bis 9“-Anhängerin, die ihre morgendliche Routine mit ihren 700k+ Followern auf TikTok teilt.

Vor der Arbeit meditiert sie, schreibt in ihr Bullet Journal, liest ein paar Seiten in einem Sachbuch, macht sich das gleiche Frühstück wie jeden Morgen (zwei Eier und Avocado-Toast, „um keine ermüdenden Entscheidungen treffen zu müssen“), schaut sich ein „Studytube“-Video an, geht 45 Minuten laufen oder walken und fängt schon mal mit Putzen an.

Ihr ist klar, dass das eine ganze Menge ist – doch wie die meisten von uns hat auch sie viel zu tun. „Ich habe einfach so viel erledigt bekommen, es war der Wahnsinn",schwärmt sie. „Plötzlich hatte ich das Gefühl, mein Tag hätte mehr Stunden. Zudem ist mein Energielevel morgens viel höher als nachmittags oder abends, sodass ich dreimal so produktiv sein konnte.“

Und es kommen weitere Vorteile ins Spiel. Wenn der Produktivitätsexperte Graham Allcott sein Bestes geben muss, steigt er für die „5 bis 9“-Schicht aus dem Bett (kaum verwunderlich, dass seine Bücher Titel tragen wie „Wie Sie zum Produktivitäts-Ninja werden“). Der Hauptvorteil ist, dass man während dieser Zeit ohne Ablenkungen arbeiten kann.

„Da alle anderen noch schlafen oder noch nicht bei der Arbeit sind, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass man E-Mails checkt oder durch WhatsApp-Nachrichten oder Anrufe abgelenkt wird“, erklärt Allcott. Außerdem fühlt man sich gut, wenn alles geschafft ist. „Im frühen Morgenlicht in den Flow zu kommen, hat was", fügt er hinzu, „wenn die Sonne aufgeht und du das Gefühl hast, um 9 Uhr schon die Arbeit einen ganzen Tages erledigt zu haben.“

Gewohnheit ist ein zentrales Mantra des „5-Uhr-Clubs“. Cera Paslawsky hält sich so strikt an ihre Gewohnheiten, dass sie sogar im Urlaub eine Version ihres „5 bis 9“-Programms beibehält. Sie kann sich nicht freinehmen, aber wenn sie im Urlaub früh aufsteht, ist sie in der Lage, ein paar Stunden Arbeit „reinzuquetschen“. „Wenn die anderen aufstehen und bereit sind, etwas zu unternehmen, habe ich mich schon über die Arbeit auf dem Laufenden gehalten“, sagt sie. „So habe ich Zeit, richtig Urlaub zu machen und mich zusammen mit den anderen zu entspannen.“

Bringt es stichhaltige Vorteile, früh aufzustehen?

Nicht alle fahren auf die Zeit zwischen 5 und 9 Uhr morgens ab. Für jeden Vlog, der das Frühaufstehen feiert, gibt es einen nicht minder beliebten TikTok-Sketch, der das Phänomen auf die Schippe nimmt – als Symptom des Spätkapitalismus oder als Beweis dafür, dass die Workaholic-Kultur außer Rand und Band geraten ist.

Allcott merkt an, dass der Fokus der „5 bis 9“-Routine auf Produktivität problematisch sein könnte, wenn man sich dadurch nur noch mehr Arbeit in den Tag packt (denn nirgendwo heißt es, man solle früh aufzustehen, um vor der Arbeit einfach noch ein paar Stunden zu chillen). „Ich halte die Verherrlichung bestimmter Morgenroutinen für gefährlich. Das Ganze fördert eine Workaholic-Kultur, die vorgibt, man werde erfolgreich sein, wenn man einer lachhaften Morgenroutine folgt. Viel wichtiger ist es, die richtigen Dinge erledigt zu bekommen.“

Doch „5 bis 9“-Befürworter wie Paslawsky sehen auch über das Produktivitätsplus hinaus Vorteile: „Der größte Unterschied, den ich bemerkt habe, war, wie sehr mir die Morgenroutine geholfen hat, meine Ängste zu kontrollieren“, sagt sie. „Als sehr introvertierte Person habe ich festgestellt, dass es mir hilft, meinen sozialen Akku für den Tag aufzuladen, wenn ich vor der Welt aufwache und ein paar Stunden für mich selbst habe. Soziale Interaktion laugt mich nicht mehr so stark aus wie früher.“

Zahlreiche Studien belegen, dass frühes Aufstehen gut für uns ist. So wurde festgestellt, dass „Morgenlerchen“ ausdauernder sind, sich höhere Ziele setzen und ihren zukünftigen Erfolg in die Wege leiten. Darüber hinaus zeigt die Forschung, dass Frühaufsteher ein sonnigeres Gemüt haben, was sich vor allem aufs Wohlbefinden auswirken kann. Laut einer Studie aus dem Jahr 2018 tragen „Nachteulen“ sogar ein 10 % höheres Risiko, früher zu sterben. Und nicht zu vergessen: Wir leben in einer Welt, die auf Frühaufsteher zugeschnitten ist, was dazu führen kann, dass Nachteulen Probleme mit Bewegung, Stress und sozialer Isolation haben, so eine in der Zeitschrift „Chronobiology International“ veröffentlichte Untersuchung.

Doch die Studien mahnen zur Vorsicht, was Kausalität und Korrelation angeht. Ist es das frühe Aufstehen, das Probleme verursacht – oder der Zwang, sich eine Morgenroutine anzugewöhnen? Bei 50 % von uns gibt die innere Uhr weder dem Morgen noch dem Abend den Vorzug. Jeder Vierte ist Frühaufsteher, und ebenso viele sind Nachtschwärmer. Dagegen lässt sich kaum angehen.

„Unser Chronotyp ist größtenteils genetisch festgelegt, man kann ihn also nicht ändern, auch wenn wir es noch so sehr versuchen“, erklärt Schlafexperte Dr. Neil Stanley. „Für Morgenlerchen ist es kein großes Problem, um 5 Uhr früh aufzustehen. Nachteulen fühlen sich hingegen, als hätte man sie mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen.“

Der Versuch, Nachtschwärmer in Frühaufsteher zu verwandeln, ist daher wohl nicht gerade förderlich für ihr Wohlbefinden. Die beste Einschlafzeit ist bei jedem Menschen individuell. An diesem „Schlafportal“ herumzuschrauben, könnte Probleme bereiten, so Stanley: „Dein Schlafportal bleibt immer gleich, unabhängig von deiner selbst auferlegten Weckzeit“, erklärt der Autor von „How to Sleep Well“. „Wenn du um 5 Uhr morgens aufstehst, verkürzt du lediglich deine Schlafzeit – was ziemlich unklug ist, wenn man bedenkt, wie wichtig Schlaf für eine gute körperliche, geistige und emotionale Gesundheit ist.“

Sollten wir alle versuchen, Frühaufsteher zu werden?

Was bringt es, das Thema zu forcieren? Nachteulen können durchaus mit Morgenlerchen mithalten: Sie schneiden bei Gedächtnistests tendenziell besser ab, haben eine höhere Verarbeitungsgeschwindigkeit und bessere kognitive Fähigkeiten. Außerdem weisen sie oft positive Eigenschaften wie Geradlinigkeit auf, sind begeisterungsfähig und offen für Neues

Auch Überflieger machen mitunter ganze Nächte durch: Bekannte Nachteulen sind z. B. der legendäre irische Schriftsteller James Joyce, der ehemalige Buzzfeed-CEO Jonah Peretti und die mit einem Golden Globe ausgezeichnete US-Schauspielerin Jennifer Coolidge, Star der TV-Serie „The White Lotus“, die erst nachts lebendig wird. „Ich liebe die Nacht“, sagte sie dem People Magazin. „Der ganze Morgen, der Nachmittag und die Abenddämmerung sind furchtbar, da bekomme ich praktisch nichts auf die Reihe. Aber wenn es so auf 20 oder 21 Uhr zugeht, tut sich langsam was, und ich denke bei mir: Wow ... jetzt geht’s los.“

Das vielleicht größte Argument gegen das frühe Aufstehen ist, dass es das Nachtleben und das Entertainment zu später Stunden einschränkt, die Nachtschwärmer wie Coolidge so lieben. Paslawsky zum Beispiel ist um 20.30 Uhr im Bett. „Ich bin eine absolute Oma“, gibt sie zu. „Mein Körper weiß genau, wann es 21 Uhr ist, und fängt dann an, einzuschlafen.“

Diese Konsequenz ist womöglich der einzige Weg, die „5 bis 9“-Routine durchzuziehen, vor allem am Anfang. Paslawsky empfiehlt darüber hinaus kleine Belohnungen fürs frühe Aufstehen, z. B. deinen Lieblingskaffee zum Mitnehmen im Café an der Ecke. Oder du legst dir ein Haustier zu, dass um 5 Uhr morgens gefüttert werden muss, falls es dir wirklich schwerfällt, so früh aus den Federn zu fallen. „Sobald sich dein vierbeiniger Freund an diesen Zeitplan gewöhnt hat, wird er zum hartnäckigsten, aber liebenswerten Wecker, den du nicht ignorieren kannst“, schmunzelt sie.

Produktivitätsguru Allcott platziert seinen digitalen Wecker in größerer Entfernung vom Bett, und er hat ein Lumie-Licht, das Sonnenlicht imitiert. Außerdem hält er sich nur an die „5 bis 9“-Routine, wenn er einen guten Grund dafür hat. „Stelle dir selbst die Frage, warum du das tun willst. Ist das frühe Aufstehen es wert, dafür auf deine Abendunterhaltung zu verzichten? Und hast du genügend Support in deinen Beziehungen und deiner Familie, inklusive der notwendigen Anpassungen, damit das alles funktioniert?“ sagt er. „Der frühe Morgen kann eine magische und produktive Zeit sein. Aber manchmal fühlt man sich auch wie ein Einsiedler.“

Der „5 bis 9“-Trends wird von dem Wunsch angetrieben, den „9 bis 5“-Zeitplan auszugleichen. Doch selbst die Engagiertesten unter uns wissen, dass sie ihren Tag nicht einfach vorverlegen können, und das jeden Tag. „Samstagmorgens stelle ich mir keinen Wecker, damit ich schlafen kann, wenn mein Körper es braucht“, sagt Paslawsky, die sich das Wochenende freihält, zumindest teilweise. „Leider arbeite ich an den meisten Wochenenden, aber wenn ich wirklich etwas vorhabe“, lacht sie, „dann schlafe ich bis 7 oder 8 Uhr morgens aus.“

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