10k ist offiziell passé: Neuesten Studien zufolge profitiert unsere Gesundheit schon ab 7.000 Schritten pro Tag. Hier ist dein neuer Tagesplan.
10.000 Mal am Tag einen Fuß vor den anderen zu setzen, kann ganz schön anstrengend sein. Aber was sein muss, muss sein, im Namen der Gesundheit. Richtig? Nein, falsch! Neueste Studien zeigen nämlich, dass schon 7.000 Schritte pro Tag dein Sterberisiko um bis zu 50 % senken können. Das schauen wir uns mal genauer an.
Gehen ist die wohl einfachste Form der sportlichen Betätigung – was nicht bedeutet, dass es wenig bringt: „Jede Art von Bewegung ist gut. Es müssen nicht immer kraftstrotzende Sprints oder Bestleistungen im Kreuzheben sein, um die Gesundheit positiv zu beeinflussen“, merkt Physiotherapeut Kieran Sheridan an
„Mehr Bewegung hilft dabei, Kalorien zu verbrennen und Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Störungen, Diabetes und verschiedenen Krebsarten vorzubeugen.“
Der vielleicht größte Vorteil des Gehens ist, dass man es praktisch immer und überall machen kann. Gehen kostet kein Geld, du brauchst nicht in teure Ausrüstung zu investieren.
Wenn du verletzt bist oder eine Recovery-Pause vom Gym einlegst, hilft dir ein langer Spaziergang auf schonende Art dabei, in Bewegung zu bleiben. Laut einer 2019 unter US-amerikanischen Arthritispatienten durchgeführten Telefonumfrage ist dies besonders für ältere Menschen von Vorteil.
Die Ergebnisse, die in der Fachzeitschrift „Morbidity and Mortality Weekly Report“ erschienen, zeigen, dass von den 87.299 Teilnehmern, die an Arthritis litten, aber gleichzeitig körperlich aktiv waren, 70,8 % das Gehen als ihre häufigste sportliche Betätigung nannten (gefolgt von Gartenarbeit und Gewichtheben). „Gehen ist eine der einfachsten Formen der Bewegung, die für Menschen aller Fitnessstufen geeignet ist, weil man das Tempo und die Intensität selbst bestimmen kann.
Außerdem ist es schonender für die Wirbelsäule als Joggen“, erläutert Sheridan.
Doch nicht nur der Körper, auch der Geist profitiert vom Gehen. Laut einer systematischen Auswertung, die 2021 im „International Journal of Environmental Research and Public Health“ veröffentlicht wurde, könnten lange Spaziergänge (30 km oder mehr – auf jeden Fall über 10.000 Schritte) „eine kostengünstige Maßnahme zur Förderung der psychischen Gesundheit“ sein.
Keine Sorge, du brauchst keinen ultrastrammen Marsch hinzulegen, wenn du nicht willst: Laut einer Studie der American Psychological Association senken Erwachsene, die 75 Minuten pro Woche zu Fuß gehen, ihr Depressionsrisiko bereits um 18 %. Und bei 2,5 Stunden oder mehr pro Woche sind es sogar 25 %.
Je mehr Schritte, desto besser – das besagt zumindest die oben erwähnte Studie. Und 10.000 Schritte klingt doch gut als schöne, runde Zahl, oder? Ja und nein. Denn tatsächlich basieren die 10.000 Schritte nicht auf irgendwelchen medizinischen Studien, sondern auf einer Marketingkampagne ...
„Das Ziel von 10.000 Schritten pro Tag geht auf einen japanischen Schrittzähler aus den 1960er-Jahren zurück, dem ‚Manpo-kei‘, was grob übersetzt ‚10.000-Schritte-Zähler‘ bedeutet“, erklärt Amanda Paluch, Assistenzprofessorin am Department of Kinesiology und Institute for Applied Life Sciences der University of Massachusetts Amherst, USA. „Die Zahl wurde schnell zum Mainstream-Ziel, ist aber nicht wissenschaftlich belegt.“
Eine Studie von 2019 in der Fachzeitschrift „Obesity“ fand heraus, dass Teilnehmer, die über 18 Monate hinweg 10.000 Schritte am Tag gingen – 3.500 davon in Form mäßiger bis intensiver 10-Minuten-Kraftintervalle – „verstärkt Gewicht verloren“ (weniger als oder gleich 10 % des BMI). Diese Teilnehmer hielten jedoch gleichzeitig eine kalorienreduzierte Diät ein, was es schwierig macht, 10.000 Schritte pro Tag unmittelbar mit einer erhöhten Gewichtsabnahme in Verbindung zu bringen.
Es ist also erwiesen, dass Gehen gut für uns ist, aber es gibt keine stichhaltigen Belege dafür, dass wir jeden Tag genau 10.000 Schritte anstreben müssen. Neue Daten legen sogar nahe, dass wir uns gar nicht sooo viel vornehmen müssen ...
Mit dem Ziel, die Aussage „10.000 Schritte pro Tag“ zu hinterfragen, untersuchten Paluch und ihre Kollegen den Zusammenhang zwischen der täglichen Schrittzahl und der Sterblichkeit bei 2110 Männern und Frauen im Alter von 38 bis 50 Jahren. Die Teilnehmer trugen im Durchschnitt 10,8 Monate lang einen Schrittzähler und wurden nach durchschnittlich 10,8 Jahren noch einmal untersucht. Zu diesem Zeitpunkt waren nur 3,4 % der Teilnehmer verstorben. Paluch und ihre Mitautoren kamen zu dem Schluss, dass Bewegung sich zwar verzögernd auf die allgemeine Sterblichkeit auswirkt, die Vorteile aber schon viel früher als bei 10.000 Schritten einsetzen.
„Teilnehmer, die mindestens 7.000 Schritte pro Tag gingen, hatten im Vergleich zu denen, die unter 7.000 Schritten lagen, ein um 50 % bis 70 % geringeres Sterberisiko“, schreibt das Team um Paluch in einem Artikel, der auf JAMA Network Open erschien. Dabei spielte es auch keine Rolle, wie energisch die Schritte waren
„Es gab keinen Zusammenhang zwischen der Schrittintensität und der Sterblichkeit, unabhängig von der variierenden Anzahl der Schritte“, heißt es in der Studie.
„Unsere Forschungsarbeit belegt, dass die Gesundheit auch bei deutlich weniger als 10.000 Schritten pro Tag profitieren kann“, merkt Paluch per E-Mail an. In einer Meta-Analyse von 15 Studien in der Fachzeitschrift „Lancet“ stellte Paluch fest, dass der Nutzen von 10.000 im Vergleich zu 7.000 Schritten pro Tag nicht merklich größer ist.
„In unserer Folgestudie haben wir gezeigt, dass das geringere Sterberisiko bei jungen bis mittelalten Erwachsenen bei 8.000 bis 10.000 Schritten pro Tag abflacht und dass darüber hinausgehend kein erheblicher Zusatznutzen zu beobachten ist“, führt sie an. „Das bedeutet nicht, dass mehr als 10.000 Schritte pro Tag schädlich sind, sondern legt eher nahe, dass der Nutzen bei über 10.000 Schritten abnimmt“.
Paluchs Forschungsergebnisse sind kein Freibrief, um sich zurückzulehnen und zu chillen. Bewegung ist und bleibt wichtig, betont sie und empfiehlt: „Wenn du 10.000 Schritte geschafft hast, solltest du auf jeden Fall weitermachen. Gehen ist kein Fall von ‚entweder alles oder nichts‘. Unsere Ergebnisse haben gezeigt, dass mehr Schritte besser sind, vor allem für diejenigen, die im Moment nicht sehr aktiv sind. Diejenigen, die am wenigsten aktiv sind, können die meisten Vorteile daraus ziehen.
Eine schrittweise Steigerung kann viel Gutes für deine Gesundheit bewirken. Wenn du also bei 4.000 Schritten stehst, arbeite auf 5.000 hin und so weiter“, rät sie.
Selbst das Ziel, 1.000 zusätzliche Schritte pro Tag zu machen, lohnt sich. „Die tägliche Schrittzahl ist ein hervorragender Maßstab, um weniger zu sitzen und mehr Bewegung in den Tag zu bringen“, sagt Paluch. „Eine bestimmte Zahl vor Augen zu haben, ist toll als Motivation, und mit der wachsenden Beliebtheit von Fitness-Trackern bietet das Ganze eine einfache und praktikable Möglichkeit, sich mehr zu bewegen.“
Wie lassen sich mehr Schritte in den Tag einbauen? Paluch schlägt vor, den längeren Weg zur Bushaltestelle zu gehen, bei der Arbeit die Treppe zu nehmen, Meetings im Büro stehend und gehend abzuhalten oder ein paar Runden um den Sportplatz zu drehen (anstatt im Auto zu warten), während dein Kind Fußballtraining hat.
„Fang gleich nach dem Aufwachen an“, empfiehlt Sheridan. „Streame einen Podcast und gehe in der Küche auf und ab, während du auf deinen Morgenkaffee wartest. Auf diese Weise kannst du 200 Schritte mehr machen, bevor du das Haus verlässt. Im Büro öfter mal in die Küche zu gehen und dir einen Tee zu machen, ist nicht nur gut für deinen schreibtischgeplagten Rücken, sondern sorgt auch für zusätzliche Schritte, genauso wie ein Spaziergang in der Mittagspause an der frischen Luft. Und anstatt dir dein Abendessen liefern zu lassen, solltest du zum Restaurant laufen und das Essen dort abholen, wenn du mal nicht selbst kochst.“
Immer dran denken: Ein tägliches Schrittziel ist ein guter Weg, um in Bewegung zu bleiben – aber auf Biegen und Brechen 10.000 Schritte am Tag zu erreichen, muss nicht sein. Neueste Studien zeigen, dass die gesundheitlichen Vorteile des Gehens schon bei 7.000 Schritten pro Tag beginnen – und nachlassen, wenn diese Zahl überschritten wird. Hey, dein tägliches Fitnessziel ist gerade viel näher gerückt! Und sollte es dir trotzdem schwerfallen, in Bewegung zu kommen, empfehlen wir dir, einen Windhund zu adoptieren.
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